Mittlerweile wird die dritte Generation an Bord gefüttert. Der Schwiegersohn in spe hat vergangenes Jahr den Sportbootführerschein gemacht und fragte an, ob wir nicht im Frühjahr 2019 einen Törn im Mittelmeer machen könnten. Schnell wurden alte Verlags-Kontakte reaktiviert und schon wartete eine Swan 43 (Ron Holland) im kroatischen Pula auf unseren Besuch.
Um dem üblichen und weit verbreiteten hochpreisigen Charterkosten im Mittelmeer aus dem Weg zu gehen und trotzdem der Familie eine Seefahrt unter südlicher Sonne anzubieten, haben wir uns für Klassikcharter, einem kleinen Charterunternehmen im nördlichen Teil Kroatiens entschieden. Die unternehmergeführte Charterbasis in Pula überzeugte uns mit einerseits klassischen GFK-Booten, wie wir sie von der Nord- und Ostsee kennen und andererseits mit entsprechend moderaten Charterpreisen, wie sie im Mittelmeer eher unüblich sind. Eine weitere Entscheidungshilfe ist der gut angebundene Flughafen in Pula, von dem es mit dem Taxi oder Bus in nur etwa 15 Minuten bis zur Charterbasis in der ACI-Marina ist.
Wetterkapriolen
Die von Herrn Trump (hoffentlich ehemalig. Amtsträger in USA) verleugnete Klimakatastrophe war auch in Kroatien spürbar. Selbst Mitte Mai war es recht frisch und für diese Jahreszeit unverhältnismäßig verregnet. Als das gesamte Familiengepäck, inkl. Kinderbuggy und klappbaren Reisebettchen an Bord waren, buchten wir ein nahegelegenes Apartment, um dem Bewegungsdrang unseres Einjährigen entgegen zu kommen.
Nach zwei Tagen Dauerregen riss der Himmel auf und es konnte endlich losgehen.
Wir fuhren mit der „Moondance“ das relativ lange und geschützte Fahrwasser aus Pula heraus, umrundeten den weit ins Meer gebaute und teilweise verfallenen Wellenbrecher und bogen ab, Kurs Süd. Nach Umrundung des Leuchtturm Pomers, der vorgelagerten Südspitze des Festlandes, ging es wieder hoch an den Wind, um durch die Inseln und Flachs nach Medulin zu segeln.
Der erste „Törn“ war geschafft und schon begann die Uhr zu ticken, denn die Abendmahlzeit des kleinen Mitseglers bestimmt den Zeitplan! Schnell wurde in der nächsten Konoba (kroatisches Restaurant) die ersten Cevapcici verspeist. Zwischen 19 und 20 Uhr wurde die Bettzeit des Einjährigen eingeläutet. Das bedeutete der Aufbau des Kinderbettchens am Niedergang des Salons. Gleichzeitig bedeute das für uns, als Vorschiff-Lieger, eine stark eingeschränkte Möglichkeit dasselbe wieder zu verlassen. Also war auf unserem Törn in der Regel um 20 Uhr der Tag zu Ende. Ein neues Lebensgefühl, das für eine intensivere -Lektüre und vermeintlich längere Schlafenszeit führte.
Spätestens um 0700 Uhr kam wieder Leben ins Schiff und der Kleine rief nach Aufmerksamkeit und natürlich Nahrung.
Durch die vorgegebenen Zeiten des kleinen Mitseglers konnten wir entsprechend zeitig wieder ablegen und unseren Bug Richtung Südosten steuern. Wir überquerten bei strahlendem Sonnenschein den berühmt berüchtigten Kvarner-Kanal, der wegen seiner Bora-Intensität bekannt ist. Ein schöner Nord bescherte uns einen wunderbaren Am-Wind-Kurs, der die Performance der Swan deutlich machte: Mit knapp zehn Knoten Wind segelten wir an die sechs Knoten Speed über Grund! Das freut das Seglerherz!
Zwischen den Inseln Cres und Losinj befindet sich in Osor ein schmaler Kanal, der mit einer Klappbrücke versehen die Durchfahrt ermöglicht. Uns überraschte die starke Strömung zwischen den beiden großen Inseln, die das Warte-Manöver erschwerte. Die Brücke öffnet täglich um 9 und um 17 Uhr. Unsere 17 Uhr-Durchfahrt erfolgte reibungslos, so dass wir gleich hinter dem Kanal in die Marina Osor abgebogen sind.
Der kleine geschichtsträchtige Ort Osor erfreute die gesamte Besatzung der „Moondance“ beim abendlichen Rundgang durch den Ort und über die die teilweise verfallenen mittelalterlichen Burganlagen.
Not-Stopp
Der nächste Tag sollte uns weiter Richtung Rab führen, aber endete mit einem Not-Stopp im etwa fünf Meilen entfernten Hafen Nezerine! Durch den defekten Wärmetauscher des in die Jahre gekommenen Volvo-Pentas kam es zu einer Überhitzung. Also per Segelmanöver in den kleinen Hafen, der durch die Vorsaison bedingt fast vollkommen leer war. Nach mehreren Telefonaten mit dem Charteranbieter wurde uns ein Boots-Tausch angeboten, was wir natürlich gerne annahmen. Allerdings stimmte mich der Tausch auch traurig, denn das Ende des Swan-Törns war besiegelt. Stattdessen bekamen wir eine Bavaria 45 und zogen noch einmal um.
Wie sich später herausstellte, freute sich der Rest der Crew über das modernere und geräumigere Boot. Auch das abendliche Aufstellen des Kinderbettchens stellte sich in der geräumigeren Bavaria deutlich angenehmer dar, als zuvor.
Neustart
Mit dem neuen Schiff segelten wir von Nezerine weiter zur Perle Istriens, nach Rab. Die wunderbar restaurierte Altstadt mit den zahlreichen engen Gassen und den vielen Kirchen begeisterte auch den kleinsten unter uns, der mit beinahe jedem auf der Straße Freundschaft schließen wollte.
Der nächste Tag führte uns in nördlicher Richtung nach Punat auf die Insel Krk. Hier bin ich mehr oder weniger vor über fünfzig Jahren aufgewachsen,- eine besondere Begegnung an Bord der Dreigenerationen-Yacht. Tatsächlich erkannte ich vieles wieder, aber seit Titos Ableben und dem Einzug des Kapitalismus hat sich auch dieser Ort touristisch stark verändert. Wir hatten das große Glück, nicht in die mondäne Marina Punat fahren zu müssen, sondern konnten an der Spitze der alten Kommunalhafenpier festmachen. Ein Traumplatz, besonders mit dem Ausblick auf die mitten in der Bucht liegenden Klosterinsel Kosljun, die ich bereits als Kind mit dem Beiboot der elterlichen Yacht erkundete.
Sobald wir fest waren, folgte der Kleinste seinem Bewegungsdrang und erkundete die Umgebung. Die kinderfreundlichen Kroaten hatten ebenso wenig Scheu, auf unser kleinstes Crewmitglied zuzugehen, wie er selbst. Schnell wurden Hafen-Freundschaften geschlossen.
Der folgende Tag bescherte uns wieder eine ausgeprägte Flaute, wie sie oft im Mittelmeer vorherrscht. Unser Kurs führte uns mit nordwestlicher Route zwischen Krk und Cres herum. Nach wenigen Stunden rundeten wir die Nordspitze von Cres und bekamen auf der einen Seite die riesige Bucht von Rijeka, der größten Metropole Istriens, geboten. Auf der anderen Seite bezauberte uns die vollkommen unberührte und wilde Landschaft von Cres, die auf ihrer Ost- und Nordseite fast unbewohnt ist.
Der Kurs führte uns weiter entlang der westlichen Seite Cres bis in den gleichnamigen Hauptort. Hier gibt es die Möglichkeit an der ungeschützten Hafenpier oder in der gegenüberliegenden ACI-Marina anzulegen. Wegen fehlenden sanitären Anlagen an der Hafenpier haben wir uns für die ACI-Marina entschieden. Durch den Heimathafen der Boote von Klassikcharter in der ACI-Marina Pula bedingt, gewährten uns die ACI-Marinas im übrigen Istrien eine nicht unerheblichen Rabatt, der die für uns Ostsee-Segler ansonsten gesalzenen Liegeplatzpreise etwas abmildern.
Der altertümliche Ort Cres überzeugt uns vollkommen mit seinem mediterranen Charme. Ein abendliches Essen mit einer frisch gegrillten Fischplatte rundete den Abend ab.
Am nächsten Tag kreuzten sich unsere Kurse im Kvarner-Kanal: Wir haben einer der größten Inseln der Adria komplett gerundet. Ein wunderbarer Törn mit drei Generationen an Bord geht zu Ende. Die gesamte Crew hat sich trotz des Boots-Tauschs wohl gefühlt. Gleichzeitig breitete sich ein gemeinsames Gefühl aus: Der nächste Kroatien-Törn wird geplant!