boot 2023: Konzentrationen und Freiräume

Mit großen Ankündigungen meldet sich die boot 2023 von der Corona-Pause zurück. Durch den Ost-Eingang, über den ich seit Jahren mit den Presse-Kollegen aufs Gelände komme, steuerte ich die Halle 17 an. Hier beginnt, oder besser gesagt, begann die Runde mit den Segelyachten, derentwegen viele Messe-Besucher diese „heiligen Stätten“ besuchen. Mit Erstaunen wurde ich mit lauter Musik und einem Wasserbecken begrüßt!? Erstaunen machte sich bei mir breit. Habe ich mich in der Halle geirrt? Nein, die ehemalige Segelyacht-Halle, in der sich zuletzt Bavaria mit der eigenen „Bavaria World“ recht großzügig präsentiert hatte, wird nun von gut gelaunten Surfern bespielt. Musik und jede Menge Sitz-Lounges bestimmen, neben einem großen Aktionsbecken, das Bild.

Pünktlich um 10 Uhr strömen die Besucher in die Hallen.

Etwas irritiert ziehe ich weiter und finde in der wesentlich ruhigeren Nachbar-Halle endlich die Segelyachten! Nach einer ersten Runde wird schnell klar, dass hier nicht nur Marken-Größen, wie Hanseyachts (Hanse, Dehler und Moody) fehlen, sondern auch X-Yachts und kleinere Werften wie Sirius, Najad oder Salona. Dafür nutzt der französische Weltmarktführer Beneteau und Jeanneau das Vakuum und präsentiert nicht nur die eigenen Flotten, sondern darüber hinaus auch die interessanten Messeprämieren der zugekauften First-Reihe aus der kleinen slowenischen Schmiede Seascape. Hier zeigen die Slowenen mit der First 36 eine wirkliche Neuentwicklung! Das relativ unspektakuläre Boot überzeugt durch ein hervorragendes Cockpit- und Deckslayout und unterstreicht damit die sportliche Herkunft. Mit herausnehmbaren Cockpitbänken kann das Boot schnell in eine Segelmaschine umgebaut werden. Es stört keine massiver Cockpittisch oder Liegewiesen das Cockpit, sondern nüchterne Funktionalität erfreut das Seglerherz.

Die First 36 überzeugt…
..mit stäbigen Reelingsstützen..
…einem tollen Equipment an Deck…
und pfiffigen Detaillösungen, die ihre Zeit eigentlich schon hatten.

Auch unter Deck überzeugt die Slowenin mit Funktionalismus in Weiß. Der Salon und die drei Kabinen sind praktisch und schnörkellos gefertigt. Es kommen Erinnerungen an frühere X-Yachten hoch, die mit als erste auf Schränke verzichtet haben und stattdessen den Platz unter den Kojen als Stauraum für die Segeltaschen angeboten haben. Die Geburtsstunden der sogenannten Performance Cruiser, mit denen sowohl gemütlicher Familienurlaub, als auch der harte Kampf auf der Regattabahn ausgefochten werden kann. Ob Beneteau die bisher über ein Dutzend verkauften Einheiten und damit die bereits jetzt schon ausgelastete Jahres-Kapazität der kleinen Werft ausreicht, bleibt abzuwarten. Mit 285.000 Euro ist das Boot in der Basisausstattung sicher kein Schnäppchen, zumal das ausgestellte Messeschiff mit über 330.000 Euro einen ordentlichen Schluck aus der Pulle bedeutet!

Für ein 8,5 Meter langes Boot ist das ein ordentlicher Schlag ins Kontor.

Womit wir bei dem interessanten Thema Preise wären. Erfreulicherweise werden neben der Bavaria-Range, die ihre Rolle als deutscher Platzhirsch nutzen, auch kleinere Boote und hier auch Neuheiten angeboten. Mit der Bente 28 setzt ein Händler am Bodensee die erfolgreiche Vorarbeit von Vrolijk & Co fort und bietet neben der erfolgreichen 24er, endlich die lang ersehnte größere Schwester an. Das Boot mit rund achteinhalb Metern Länge wird zu einem Standardpreis von rund 130.000 Euro angeboten. Das Messeboot in der Edition-Ausführung kostet gar 165.000 Euro. Im Vergleich ist dies der Einstiegs- und Komfortpreise einer Bavaria 34 Cruiser, einem Boot der 10-Meter-Klasse, zudem auch noch aus deutscher Produktion.
Neben einigen wirklichen Schönheiten, wie dem Wally-Daysailer mit dem wahrscheinlich schönsten Heck der Messe und einem englischen Pondon auf der gegenüber liegenden Hallenseite, sind auch die üblichen Verdächtigen, wie Hallberg Rassy, Amel und auch Swan vertreten. Letztere präsentieren ihre Beautys nicht nur in dieser Halle, sondern auch ein paar Hallen weiter, wo man sie nicht vermuten würde: bei den Motoryachten. Auch diese Premiummarke beurteilt, genauso wie X-Yachts, die Entwicklung und stellt sich mit Motoryachten breiter auf.

Swans segeln nicht nur!

In der Nachbarhalle findet sich das nächste Aktionsbecken und die Bühne des Segel Centers mit zahlreichen informativen Vorträgen. In einer etwas schwach beleuchteten Ecke, finden sich die wahrscheinlich heißesten Segel-Gefährte, wie die Neuentwicklung von Hans Genthe, die Aeolos 30. Das Carbon-Geschoss überrascht mit einer ungewöhnlich modernen Rumpfform und einem extremen Gennaker-Baum von sagenhaftem Ausmaß!

Ein Geschoss aus Dubai…
…das wahrscheinlich vielen das Hinterteil zeigen wird!?

Dahinter steht ein kleiner offener schwarzer Kohlefaser-Mini mit Foils und zeigt den Trend der Schnellsegler: Abheben ist angesagt.
Was im weiteren Gang durch die Hallen auffällt, sind einerseits breitere Laufgänge, die die Bewegungsmöglichkeiten, insbesondere in den Ausrüster-Hallen, komfortabler gestalten, aber andererseits auch Freiflächen an den Rändern, wie ich sie in diesem Ausmaß noch nie gesehen habe!

Freiflächen finden wir überall.

Insbesondere in den Charter-Hallen, die in diesem Jahr auffällig dünner besetzt sind als in den Vorjahren, wurden Freiflächen und Sitz-Lounges eingerichtet, sodass ganz bestimmt kein Messebesucher einen Platz zum Ausruhen mehr suchen muss! Zusammen addiert vermute ich, dass insgesamt etwa 25 Prozent der Hallenflächen nicht vermietet wurden. Stattdessen werden viele Aktionsbecken, Kinder-Animations- bzw. Spielplätze angeboten. Inwieweit sich die Messe Düsseldorf diese Mindereinnahmen leisten oder quer finanzieren kann, wird sich zeigen. Auf der anderen Seite zeigt sich die Superyachts-Halle gut gefüllt und strahlt weit über das Messegelände hinaus.

„Gestaltete Freifläche“ eines Ausstellers in der Superyacht-Halle.
In der Superyacht-Halle wird business gemacht!