Unter Maschinen: Einmal Oslo bitte

Das Angebot des Eigners, seinen 54 Fuß-Klassiker über Ostern 2019 nach Oslo zu überführen, hörte sich verlockend an. Nach einer kurzen Abstimmung mit meinem Freund Frank sagte ich zu.
Gestartet sind wir in Travemünde, wobei wir eigentlich in der Werft Grell in Lübeck-Schlutup verabredet waren, in der die „Ilonda“ ihren regelmäßigen Winterschlaf abhält. Am Abfahrts-Morgen standen wir mit Sach und Pack vor einem verwaisten Liegeplatz, da der Eigner das Schiff bereits nach Travemünde verholt hatte….

Ilonda-Bericht aus der YACHT WORLD von July 1951
Start in Travemünde.

Bereits kurz nach der Abfahrt zeigte mir der Eigner ganz stolz den liebevoll eingedeckten Salontisch, an dem wir uns bei einem späteren Frühstück laben durften. An was der belgische Eigner nicht gedacht hatte, ist der seit Tagen mit sechs Beaufort wehende Ostnordost, der schon in der Lübecker Bucht eine ordentliche Welle aufgebaut hatte….
Nachdem wir die Nordermole von Travemünde passiert hatten, ging es los: Die „Ilonda“ musste sich gegen die gegenan stehende Welle durch kämpfen und nahm immer wieder grünes Wasser über. Die Frühstücksgedecke wurden schnell abgeräumt und schnell zeigte sich bei der immerhin 70 Jahre alten schottischen Dame ein erstes Problem: Der Autopilot übernimmt den eingestellten Kurs nicht. Mein Kommentar: „Die Strecke bis Oslo von Hand zu steuern, muss nicht sein“.
Der Techniker wurde telefonisch kontaktiert und stand zwei Stunden später in Burgstaaken auf Fehmarn am Kai bereit, um den Autopiloten zu reparieren. Der Aufnehmer vom Ruderquadranten wurde nicht richtig aufgesetzt und konnte seine Arbeit nicht verrichten. Nach einer halben Stunde lief alles wieder und wir legten ab, Kurs Dänemark.

Der Techniker repariert den Autopiloten.

Hinter der Staberhuk, der östlichsten Ecke Fehmarns, bekamen wir die Welle genau auf die Nase. Als wir in der Tiefwasserrinne waren, kämpfte sich die alte Lady ordentlich durch die etwa zwei Meter hohe See. Dank ihrer neuen zwei Herzen (Maschinen-Tausch vor zwei Jahren) stob sie mit acht bis zehn Knoten durch die Welle. Dadurch erreichten wir schon am frühen Nachmittag unser erstes Etappenziel: Nysted in Dänemark.

Ordentlich Welle auf dem Weg nach Dänemark.
Zwischen-Etappe Nysted erreicht.

Durch die ausgeprägte Ostlage setzte ich den Kurs weiter durch den Guldborgsund und das Smalandfahrwasser, um dann mit nördlicherem Kurs durch den Bögestrom, an Rödvig vorbei, so dass wir bei der östlichen Dünung einigermaßen Richtung Kopenhagen laufen können.
Vor der Guldborgsund-Durchfahrt legten wir den etwa sieben Meter hohen Geräte-Mast, um so die geschlossene Durchfahrtshöhe der beiden Brücken von 3,60m zu schaffen. Tatsächlich konnten wir bei der nördlichen Brücke „eine Zeitung zwischen dem Planengestänge des Achterschiffes und der Brücke schieben, aber es hat geklappt 😉

Durch viele Brücken geht es weiter durch das Smalandfahrwasser.

Hinter dem Bögestrom bekamen wir im Tiefwasser wieder die alte Welle zu spüren. Dieses Mal allerdings mit mehr Porzellan-Schaden: In der Kombüse flog alles durcheinander und der Salontisch machte ebenfalls Ausflüge in seine nahe Umgebung. Abbruch! Das war zu viel. Mit einer leichten Kurskorrektur liefen wir in Rödvig ein und „leckten unsere Wunden“. Hier stieg die Frau des Eigners dazu, die wir eigentlich in Kopenhagen aufnehmen wollten.

Am nächsten Tag entfaltete sich das Hochdruckgebiet und brachte die für Motoryacht-Fahrer lang ersehnte Windstille. So konnten wir ohne Welle Richtung Öresund weiterlaufen. Als ich bei einem Kontrollgang die Bodenbretter des Achterschiffes anhob, sah ich mein Spiegelbild im Wasser…die Bilgepumpen versagten ihren Dienst! Das ist auf einem Holzschiff suboptimal! Sofort machte sich Frank und der Eigner an die Arbeit und baute die Bilgepumpen aus. Dreck aus der Bilge, Schrauben und Kabelbinder verstopften die Pumpen oder brachen Flügel der Impeller ab. Nach etwa zwei Stunden Arbeit liefen die Pumpen wieder!

Pumpenausfall- und Reparatur während der Fahrt.

Wir machten ein Zwischenstopp in Helsingborg und bunkerten Diesel: 700 Liter. Daraus ergab sich ein überraschend niedriger Verbrauch von etwa 22 Liter je 160 PS starker Solè Dieselmaschine. Nach einem schwedischen Cappuccino unter nordischer Sonne liefen wir am späten Nachmittag wieder aus: Kurs Nord.
Unter den optimalen Bedingungen mit spiegelglattem Wasser im Kattegat nutzte ich die Chance und setzte einen Non-Stopp-Kurs auf Oslo ab.

Tank-Stopp in Helsingborg/Schweden.
Kurze Sonnenpause im Cafè von Helsingborg.
Sonnenuntergang im Kattegat.
Motoryacht-Fahren kann auch gemütlich sein.
Gute Stimmung an Bord der „Ilonda“.

Kurz nach Sonnenuntergang dann die zweite Störung: Nachdem wir die Positionslampen angeschalten hatten, gingen sie nach kurzer Zeit wieder aus!? Auch die Fehlersuche unter dem Schaltpaneel ergab keine klare Ursache. Stattdessen fanden wir einen nicht fixierten GPS-Geber und viele „nachgerüstete Kabel“, die teilweise unter 12 UND mit 24 V Spannung liefen….Da es mittlerweile dunkel war und wir noch ein gutes Stück vor der Anfahrt des Göteborg-Fahrwassers standen, entschied ich mich für eine Weiterfahrt mit eingeschränkter Beleuchtung.
Die Nacht verging ohne weitere Probleme, allerdings versagte jetzt die Zentral-Heizung ihren Dienst. Daraufhin wurde der Kaminofen im Salon angezündet, der eine angenehme Wärme bis in das Steuerhaus verbreitete 🙂

Nachtfahrt.
Mit wenig Laternen entlang der schwedischen Westküste.
Ambulante Reparaturen gehören bei der älteren Lady scheinbar dazu.

Am nächsten Tag erreichten wir in der Mittagszeit den Oslo-Fjord. Jetzt fielen die Bilgepumpen im Vorschiff aus. Hier zeigten sich falsch verlegte Bilgenschläuche und eine kleine Bilgenpumpe in der Vorpiek, deren Auslass UNTER der Wasserlinie verlegt wurde. Durch den Druck des Fahrwassers bei zehn Knoten Speed, wurde das Wasser nach innen gedrückt und flutete langsam aber sicher den Vorschiffbereich.

Sonnenaufgang an der schwedisch-norwegischen Küste.
Vorbei an den Aussenschären Richtung Oslo-Fjord.
Jetzt sind die Vorschiffspumpen dran.

Nachdem wir auch diese Widrigkeiten abgestellt hatten, konnten wir uns an den bewaldeten Ufern des Oslo-Fjordes erfreuen. Beinahe exakt nach berechneter Zeit und 32 Stunden Non-Stopp-Fahrt liefen wir in den Stadthafen von Oslo, der Aker Brygge ein.

Am Eingang zum Oslo-Fjord.
Klassischer Besuch im Oslo-Fjord: Fähr-Begegnungen.
Hafenfeuer: Kurz vor dem Ziel.
Nach 32 Stunden Non-Stopp-Fahrt legen wir in Oslo an.
Der Plotter zählt mit.
Landgang im mondänen Oslo.
Hafenaussicht.

Dank einem unermüdlichen Reparatur-Einsatz von Frank sind Schiff (einigermaßen) und Crew wohlauf.
Durch die preiswerte Norwegian Airline und der neu gebauten Schnellzug-Linie von Oslo zum etwa 50 Kilometer nordöstlich gelegenen Flughafen, gestaltete sich der Rückweg nach Hamburg in anderthalb Stunden Flugzeit nicht nur günstig, sondern bot darüber hinaus (bei klarem Wetter) spektakuläre Aussichten der schwedischen, dänischen und deutschen Küste!

Auf der neu gebauten Schnellzug-Linie geht es flott vom Stadtzentrum zum Flughafen.
Bei klarem Wetter bieten sich die Fotos aus Flugzeug fast zur Navigation an 😉