Der Schwedentörn im Ausnahmesommer 2018

Die Vorbereitungen für den ersten Urlaubstörn liefen auf Hochtouren: Anschluss der elektrischen Bilgepumpe stand dabei weit oben auf der Prioritätenliste. Natürlich fallen kurz vor Schluss immer noch einige Dinge „hinten runter“, so auch das mitgeführte Solar-Paneel und der neue Laderegler, die erst nach dem Törn auf ihre Anschlüsse warten mussten.

Windlagewechsel
Geplant war ein Törn „rechts herum“, also von der Lübecker Bucht aus Richtung Fehmarn, dann weiter via Kiel nach Flensburg, wo ein Crewtausch stattfinden sollte. Da bei Seglern bekannterweise das Wetter eine entscheidende Rolle spielt, stellte sich nach der ausgeprägten Ostlage eine Westlage ein. Am Tag vor der Abfahrt stellte ich daraufhin den Törn um, so dass es Richtung Nordost gehen sollte. Der neue Crewwechselort sollte nun Trelleborg an der südschwedischen Küste werden.

Endlich los!
Am Montag, den 2. Juli war es endlich so weit: Mit meinem Segelfreund Frank verließen wir am Vormittag Travemünde und hielten Kurs NE, den Lübeck-Gedser-Weg folgend.
Das Hochdruckwetter bescherte uns keinen Wind – also Maschinenfahrt. Macht nix, so kommen wir zügig voran, dachte ich mir. Auf der Höhe von Poel kam endlich Wind auf – von vorne…Der leichte NE ärgerte uns noch bis zum Nachmittag und nahm dann auch noch zu. Eine fiese kurze Welle bremste uns immer wieder ab und machte das Leben an Bord ungemütlich. Das soll so noch bis in den Abend gehen, dachte ich mir und fällte die Entscheidung: Abbruch und „Abbiegen“ Richtung Fehmarn! Damit mussten wir zwar einen ordentlichen „Schlenker“ nach Osten wieder aufholen, aber was hilfts? Wir müssen Weg nach Nordost machen!
Am späten Nachmittag liefen wir in Burgtiefe ein. Der Spaziergang endete im Café an der Einfahrtsrinne, da das Flüssigkeitsdefizit mit Alsterwasser aufgefüllt werden musste 😉
Der Abend wurde durch eine singende Jugendgruppe von etwa 15 Jungs und Mädchen auf einer First 27.7 verlängert, die Richtung 2 Uhr dann doch daran erinnert werden mussten, dass sie nicht alleine auf einem Song Contest waren, sondern mehrere Nachbarn ihren Schlaf nötig hatten…



Kurs Dänemark
Am nächsten Tag  liefen wir früher aus und stellten fest, dass sich die Genua nicht richtig ausrollen lies!? Frank enterte daufhin den Mast und fettete den oberen Wirbel der Furlex-Anlage ein. Tatsächlich zeigte sich bei dieser Inspektion, dass der Toppwirbel oben leicht aufgebogen war und die Kugeln gut sichtbar waren! Nach der Fettung lief die Anlage wieder einwandfrei!
Ein schöner Nordwest schob uns über das VTR vor Lolland, vorbei an den Windparks und um das Gedser Riff. Auf der Leeseite von Falster ging es bei glattem Wasser und zunächst 15 Kn Wind und 6 Kn SOG Richtung Hesnaes, das wir am frühen Abend erreichten. Über diesen kleinen Hafen will ich nicht viel berichten, da wir ihn zukünftig nicht voller erleben möchten 😉

MOB-Manöver!
Der kommende Tag war wieder einmal von Flaute und Schwachwind gekennzeichnet und wir wollten rauf bis an die schwedische Küste! Zunächst liefen wir mit der „eisernen Fock“ an Moens Klingt vorbei, Kurs Schweden. Ein leichter und niemals vorhergesagter SW nutzte wenig für unseren Meilen Richtung NE. Nach einer Suche in der Backskiste hebelte Frank den Pinnenpiloten aus der Verankerung und ich sah im Augenwinkel, wie das Gerät in hohem Bogen über Bord geflogen ist! Mit einem sofort eingeleiteten MOB-Manöver trafen wir schnell wieder auf unseren treuen Kumpanen, der tatsächlich immer noch oben auf in der Ostsee schwamm!
Nach dem An-Bord-holen öffnete Frank das Gerät und legte es trocken. Dabei zeigte sich ein total verrosteter Antriebsmotor – ein billiges Aggregat aus den untersten Regalen des Industriezubehörs…nach etwas Ölspray (auf meinen ausdrücklichen Wunsch) schraubte Frank das Gerät wieder zusammen, steckte den Bordnetz-Stecker ein und brachte das Boot mit dem Autopilot wieder auf Kurs. Eine Sensation!
Am frühen Abend erreichten wir Gislovs Läge, einen verschlafenen Vorort von Trelleborg. Damit war die erste Etappe in drei Tagen erreicht- früher als gedacht!

Endlich in Schweden!
Am nächsten Tag wollten wir mit dem Stadtbus nach Trelleborg fahren. Von einem bremischen Nachbarn erfuhren wir, dass man in Schweden ohne Kreditkarte noch nicht mal Bus fahren kann! Und tatsächlich: Der Busfahrer schaute mich nur irritiert an, als ich ihm meine schwedischen Kronen aus der Bordkasse hin hielt, um zwei Tickets zu erwerben. Er murmelte wahrscheinlich wohl so was wie, setzt euch hin und gut, und wir fuhren los. In Trelleborg versuchte ich mit meinen schwedischen Kronen eine spezielle Nahverkerhrs-Card zu kaufen, worauf mich die freundliche Dame an der Kasse auslachte, als sie meine Kronen sah: „Die nehmen wir schon lange nicht mehr! Versuchen sie mal die alten Kronen bei der Bank in neue zu tauschen“. Gesagt getan. Leider erfuhr ich dort, dass diese Zahlungsmittel seit dem vergangenen Sonnabend endgültig aus dem Verkehr gezogen worden sind und nur noch bei der schwedischen Reichsbank getauscht werden können….
Da die Schweden das Bargeld ablösen wollen, wundert es mich, dass sie vorher noch Mal die Barmittel erneuern!?
Trelleborg ist keine Schönheit aber bietet mit einem großen Fährhafen und einer interessanten Fußgängerzone einiges zum Anschauen.
Frank nahm die Abendfähre, während meine Frau Kirstin am nächsten Morgen in Travemünde die Staffel übernahm und mit derselben Fähre zurück nach Schweden fuhr – für gerade Mal knapp 40 Euro für ein Passagier!

Das gute Wetter hielt an und wir fuhren die schwedische Küste ostwärts, Richtung Ystad. Acht Meilen davor haben wir uns den Hafen Abbekås ausgesucht: Volltreffer! Genauso stellen wir uns die kleinen Häfen vor: Geschützt, wenig Tiefgang, damit die großen Yachten nicht hineinfahren. Zudem gibt es eine Infrastruktur mit einem Supermarkt, oben am Ort, so dass man einfach Mal einen Hafentag einlegen kann.

Weiter ging es nach Ystad. Die Metropole in Skåne überraschte uns mit vielen Yachten. Ystad hat sich als großer Transithafen entwickelt und bietet nicht nur einen sensationellen Ausrüster, der auch Ersatzteile von älteren Navi-Geräten, wie Sumlogs etc. anbietet, sondern auch eine bezaubernde Altstadt mit vielen Cafés und Restaurants in jeder Preislage.

Eine Fehlentscheidung
Nach Ystad wollte ich weiter nach Bornholm. Zuerst lief alles gut und wir hielten mit einem Am-Wind-Anlieger auf Hammerodde auf die Nordspitze der großen Insel zu. Leider drehte der Wind immer weiter auf Ostnordost, so dass wir den Plan aufgeben mussten. Also links abbiegen nach Kåseberga mit der sensationellen Steinsetzung auf der Steilküste über dem Meer! Im kleinen Hafen herrschte ordentlich Schwell, so dass wir es bei der Hafenrunde beließen und nach Ost weiterfuhren. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte!
Bis zum Kap Sandhammaren lief es unter Maschine dicht unter der Küste ganz gut. Als wir Sandhammaren rundeten, kam eine Kreuzsee auf uns zu, wie ich sie selten erlebt hatte! Mittlerweile drehte der ausgewachsene Nordost mit 20 Knoten (in Böen 25) auf! Das Boot fiel von einem Wellental ins nächste und wurde dabei von ein oder zwei Querläufern (?)  von der Seite getroffen. Mir war schnell klar, dass Simrishamn unter diesen Umständen nicht zu erreichen war! Glücklicherweise gibt es noch einen kleinen Hafen davor: Skillinge – unsere Rettung!
Nach gefühlten Stunden der Extremfahrt gegenan konnte ich endlich in die Einfahrt von Skillinge einbiegen. Geschafft! Die Brecher, die wir auf dieser Fahrt abbekommen hatten, deckten das Boot dermaßen mit grünem Waser ein, das manches Mal, von außen betrachtet, wahrscheinlich nur noch der Mast zu sehen war… Es zeigt sich in diesen Extremsituationen wieder wie ich mit dem Konzept der Steuerhausyacht richtig liege und statt im schweren Ölzeug draußen durchgewaschen, sitze oder stehe ich im Trockenen in kurzer Büx und T-Shirt, und kann das Boot auf Kurs halten und noch wichtiger: ich kann jeder Zeit navigieren! Zudem ist es im Gegensatz zum Geheule draußen, im Steuerhaus ruhig. Das führt zu weniger Ablenkung und mehr Konzentration bei der Schiffsführung!

Kurs Heimat
Da der Wind in den nächsten Tagen auf West drehen sollte, fiel Bornholm aus. Unser am weitesten entfernter Hafen war erreicht! Von nun an fuhren wir zurück. Zuerst besuchten wir Kåseberga und die beeindruckende Schiffsetzung auf der Steilküste. Ein Sommergewitter brachte uns auf Trab, so dass wir von unserem Zwischenstopp schnell aufbrachen und weiter, vorbei an Ystad, in unseren kleinen Hafen Abbekås fuhren.

Am nächsten Tag wollten wir weiter Weg nach Westen machen und endeten an der Smygehuk, der südlichsten Ecke von Schweden. Nach einem tollen Am-Wind-Anlieger  bekamen wir an der Huk einen West mit über 25 Knoten direkt auf die Nase! Unter Maschine war ein Vorankommen, trotz 28 Pferdestärke, kaum möglich! Also abbiegen in den kleinen gleichnamigen Smygehamn. Die Einfahrt bei etwa einem Meter Seegang und entsprechender Querströmung, brachte mir einige Schweißperlen auf die Stirn. Mit Schwung ging es rein in das dunkle, flache Vorbecken und ran an den Steg. Schnell wird klar, warum dieser Hafen nicht oben auf der Prioritätsliste steht: er stinkt! Durch einen fehlenden Wasseraustausch gärt „die Hafenbrühe“ vor sich hin. Dank des ordentlichen West wurde der „Duft“ glücklicherweise weitläufig vertrieben.
Nebenan lag ein junger Segler mit seinem Holzboot, mit dem sich vortrefflich schnacken lies! Der Bursche beginnt eine Lehre zum Bootsbauer bei Knierim und wird von Darmstadt nach Kiel ziehen (kluge Entscheidung!).

Dänische Inselwelt
Am kommenden Tag ging es bei leichtem Gegenwind entlang der schwedischen Küste westwärts, und weiter über die VTR Falsterborev und eines Ausweichmanövers in Richtung des gleichnamigen Leuchtturms, um einigen Schiffen auszuweichen. Das dänische Ziel Rödvig wurde am Nachmittag erreicht. Hier bietet der benachbarte Strand am westlichen Ende des Hafens einen traumhaften Badespaß!

Am nächsten Morgen ankerten wir kurz vor dem schönen Strand,  um im kristallklaren Wasser den Propeller von seinen Seepocken zu befreien. Dabei entdeckte ich einen etwa zehn Zentimeter langen „Kratzer“ am Ruderblatt!? Die Weiterfahrt konnten wir mit fast einem Knoten mehr bei gleichbleibenden 2000 U/Min. fortsetzen.
Über den Bǿgestrom erreichten wir eine unserer Lieblingsinseln: Nyord. Obwohl wir relativ spät ankamen (1400 Uhr) bekamen wir einen Platz! Auf einem Schwimmfloß vor dem Hafenbecken konnten wir uns von der Sommerhitze in der Ostsee abkühlen – herrlich!

Die Fahrt führte uns weiter durch das östliche Smålandfahrwasser, durch drei Brücken, vorbei an Vordingborg, wo wir viel Zeit in der vergangenen Saison verbracht hatten, in ein neues betonntes Fahrwasser, das uns rüber in das gegenüberliegende Fahrwasser zum Storstrom brachte. Von hier aus fuhren wir bei spiegelglattem Wasser weiter bis vor die Insel Femǿ, um ins Fahrwasser zum Guldborgsund einzubiegen. Am späten Nachmittag lagen wir in Guldborg fest.

Wieder viel Wind
Den schönen Guldborgsund fuhren wir bei Gegenstrom und Gegenwind runter bis zur Brücke in Nyköbing, um dann weiter bis zum Südausgang endlich die Segel zu setzen. Nach etwa einer Stunde erreichten wir die südliche Guldborgsund-Ansteuerungstonne, an der man nach Westen Richtung Nysted abbiegt. Genau hier war der Wind plötzlich komplett weg!? Nach einigen ratlosen Minuten sah ich voraus Wellen mit Schaumkronen!? Innerhalb von wenigen Sekunden drehte der nordwestliche Wind auf West und ging auf 25 Knoten! Also schnell Segel weg und Maschine an. Kurze Zeit später ging es, wie die Tage zuvor, an der Huk von Sandhammeren ans Eingemachte: Eine kurze steile See von etwa einem Meter ließ uns die Anfahrt nach Nysted regelrecht erkämpfen.
Eine Stunde später lagen wir fest im geschützten Hafen und trafen unsere Clubfreunde aus Travemünde, die mit ihrem neu erworbenen Stahl-Langkieler „Bieber“, ihre ersten Urlaubsmeilen machten.

Am nächsten Morgen beruhigte sich der West wieder und blies nur noch mit 15-18 Knoten. Gemeinsam mit der „Bieber“ sind wir raus zum Windpark gefahren und konnten einen schönen Halbwind-Kurs Richtung deutsche Küste anlegen. Leider fielen unsere Freunde zurück!? Über Funk erfuhren wir, dass zuerst die Maschine ausfiel und später das Boot Wasser machte. Mathias bekam alles in den Griff und lief Richtung Warnemünde ab. Wir konnten auf unserem Kurs bleiben und mussten weit hinter der Querung des Lübeck-Gedser-Weges einer Finnlines-Fähre ausweichen, die unbeirrt, ziemlich dicht unter der Küste und weit weg von jeder Schifffahrtstraße ihre Bahn zog!?
Später erreichten wir Kühlungsborn und freuten uns auf ein Seefisch-satt-Abendessen in einem der Restaurants auf der belebten Mole.

Spektakulärer Sonnuntergang
Am kommenden Tag musste aus Ermangelung von Wind wieder die „Eiserne Fock“ ihren Dienst tun. Wir liefen entlang der Küste Mecklenburg Vorpommerns an Rerik vorbei zur Insel Poel und bekamen, trotz Hochsaison und später Ankunft, einen vorderen Platz auf 1,60 Meter Tiefe – gut dass wir nur 1,40 Meter Tiefgang haben! Nach einem spektakulären Sonnenuntergang und einer ruhigen Nacht liefen wir ebenfalls unter Maschine wieder in die Lübecker Bucht und erreichten Travemünde, dass von der gerade stattfindenden Travemünder Woche von Musik und Menschen geradezu überzuquellen drohte. Das war uns zu viel, so das wir uns erst mal in die Pötenitzer Wiek vor Anker legten. Erst mal ankommen, etwas baden, und dann zurück in den Fischereihafen und auf unseren Heimatliegeplatz.

Nach erlebnisreichen 450 Seemeilen bis vor die Insel Bornholm war das ein wundervoller Törn, der ganz im Zeichen des außergewöhnlichen Sommers stand! Wir sind aus der kurzen Büx nicht heraus gekommen. Die Suche nach Bademöglichkeiten stand im Vordergrund! Herrlich – bei solchen Bedingungen brauchen wir kein Mittelmeer. Unsere „Côte de nord“ bringt so viel Freude und Spaß und schont erheblich die Bordkasse, im Gegensatz zum Pendant im Süden.