Wie im wirklichen Leben: wer am lautesten tönt…als Vertreter der klassischen Navigation, also mit Kurs-Dreieck und Papierseekarte lästere ich gerne über die Kollegen, die nur noch mit Handy und Co ihre Boote durch die Seegebiete führen. Bereits vor dem Sommertörn habe ich die Gelegenheit genutzt und von einem Ausbildungsschiff einen kompletten Ostsee-Satz an Papierkarten für ein erträgliches Salär gekauft. So junge Karten (zwei Jahre) hatte ich schon lange nicht mehr an Bord 😉.
Nachdem wir mit einem nordwestlichen Wind endlich abgelegt haben, stellte ich nach ein paar Tagen fest, ups, es ist nur der „grüne Satz“ an Bord! Die anderen Sätze habe ich zu Hause vergessen….
Mit einer West-Lage wollen wir versuchen, die deutsche Küste hoch zu segeln, um durch den Kleinen Belt weiter zu fahren. Soweit die Idee. Bereits der erste Schlag über die Bucht führte die Problematik vor: umso weiter wir uns von Travemünde entfernten, umso mehr dreht der vorhergesagte „Nordwest“ auf Nord und somit direkt auf die Nase. Also erstmal Zwischenstopp in Grömitz. Am Folgetag schafften wir Dahmeshöved und konnten die heimatliche Bucht verlassen! Umso mehr wir Fehmarn näher kamen, umso mehr dreht der vorhergesagte „Nordwest“… (siehe oben) und legte zu. Mit Reff gehen wir in Burgtiefe rein und haben erstmal genug. Auf der Sonneninsel stellt sich dann das lang ersehnte Urlaubsfeeling ein: Der Südstrand lockt mit der glitzernden Ostsee zu einem herrlichen Schwimmerlebnis!
Am Folgetag hat der Nordwest nachgelassen, aber durchkreuzte trotzdem mit der Windrichtung unseren Plan, den Kiel-Fehmarnsund-Weg zu segeln. Also nächster Zwischenstopp in einem unserer Traum-Häfen, Orth. Herrliche Spaziergänge und einen Traum-Sonnenuntergang machen uns das Leben schön.
Der Absprung
Am Tag darauf herrschte nur ein Hauch Südost. Das ist unsere Chance! Maschine an und los, Kurs Langeland. Im Laufe des Tages hat der Südost zwar etwas zugelegt, aber mit unter zehn Knoten von achtern läuft unser schwerer Langkieler keine Geschwindigkeit für größere Distanzen.
Am Nachmittag erreichten wir Bagenkop! Danebrog unter die Saling und der hyggelige Urlaub beginnt! Ein Grund für Bagenkop sind die verschiedenen Badestellen, die sowohl beim alten Fähranleger, als auch an der Brücke in der Bucht eingerichtet wurden. Egal woher der Wind kommt, man findet immer ein schönes Plätzchen zum Schwimmen! Dazu das Feeling, es endlich geschafft zu haben, egal wohin der Kurs uns führt ist einfach wunderbar!
Ein Schock
Der nächste Morgen hatte es in sich: Bei wunderbarem Sommerwetter machten wir das Boot klar und wollten Kurs Marstal segeln. Nachdem Druck auf den Startknopf der Maschine folgte…nichts!? Ein Schock! Soll hier etwa unser Urlaub bereits zu Ende sein? Zum Glück kenne ich meinen Jockel mittlerweile ganz gut und habe mich gleich an das Haupt-Strom-Kabel gemacht. Nach der Diesel-Pest und den Montagearbeiten hat einer der Beteiligten die Dieselleitungen zu dicht über den Motor-Kabelbaum geführt und denselben runtergedrückt. Meine Vermutung war, dass sich damit der Stecker etwas gelöst hatte. Also Haken über die Motorabdeckung geschraubt, Kabel hochgebändselt und Startknopf gedrückt: Maschine springt an und läuft wie immer 😊 Urlaub gerettet und weiter geht’s!
Der leichte Südost hat uns gemütlich nach Marstal geschoben. Wir sind durch das Fahrwasser herum, und weiter nach Nordosten gesegelt. Das Ziel war die hinter dem Mainstream gelegene Insel Strynö. Kurz vor dem Erreichen des Hafens fährt ein kleines Motorboot keine 20 Meter vor uns in den Hafen und belegt einer der letzten freien Plätze… Wir haben uns provisorisch in die Ecke gelegt und uns dann, durch einen frei gewordenen Platz an der gegenüberliegenden Hafenmauer verholt. Die Wettervorhersage drohte mit einem wieder aufdrehenden Nordwest um die 20 Knoten +, sodass ein Mauer-Platz in Lee genau das war, was wir brauchten!
Der Nachmittag entwickelte sich so dermaßen heiß, dass wir die Badeleitern der Brücke gegenüber mehr als einmal besucht haben.
Die Insel überzeugt uns immer wieder. Der Kaufmann bietet mehr, als wir benötigen, und die sternförmig abgehenden Spazierwege erfreuen das Herz in jeder Richtung. Dazu bietet ein kleiner Familienbetrieb handgemachtes Strynö-Eis: ein wahrer Traum!
Der nächste Tag brachte dann ein wenig Abkühlung und eine Front mit angesagtem Regen. Dafür verholten wir uns nach Rudköbing. In dem kleinen Hafenstädtchen und Heimat der Bianca Yachten haben wir einen schönen Platz im Kommunalhafen gefunden. Rudköbing bietet eine abwechslungsreiche Altstadt mit schönen Cafè und Restaurants. Gleichzeitig kann man auf Langeland entweder Richtung Brücke oder in die andere Richtung weit wandern. Nach dem etwas verregneten Tag begann es wieder aus Süd zu wehen. Mit diesem Rückenwind segelten wir weiter Richtung Norden, durch die Brücke, vorbei am Svendborg Sund bis zur westlichen Großen Belt Brücke, nach Nyborg. Wieso wir an diesem schönen Hafenstädtchen immer vorbeigefahren sind, wird mir ein Rätsel bleiben! Alleine die vielen verwinkelten Hafenbecken laden förmlich zum Festmachen ein! Wir sind ganz durchgefahren und haben uns vor die Altstadt gelegt. Nach ein paar Gehminuten erreichen wir die mittelalterliche Burganlage. Unmittelbar vor uns haben Burgfesttage stattgefunden. Wir waren zu spät, was uns andererseits gar nicht störte, denn Menschenmassen sind nicht unser Ding. So konnten wir die alten Gemäuer bewundern und spazierten durch die Befestigungsanlagen, mit ihrem Wassergraben und herrlich angelegten Wegen. Was allerdings fehlte, ist ein Strand. Der befindet sich auf der anderen Seite, direkt am Großen Belt. Also marschierten wir entlang der Hauptstraße, überquerten die Autobahn und landeten an einem traumhaften Strand, nebst öffentlichem Strandbad! Nyborg ist unbedingt eine Reise wert!
Fast anderthalb Wochen haben wir bis jetzt hier hoch gebraucht und überlegt, ob es das jetzt gewesen sein soll, oder ob wir noch weiter hochfahren wollen. Wir haben uns für letzteres entschieden und den Großen Belt noch einen Besuch abgestattet. Bei spiegelglattem Wasser über- bzw. unterquerten wir die Große Beltbrücke, um ins gegenüber liegende Reersö zu fahren. Schon vor der Insel müssen Flachs weiträumig umfahren werden. Fischzuchtanlagen liegen in der Einfahrtsschneise zum Hafen. Dort angelangt, empfängt uns ein etwas verschlafenes Nest ohne Kaufmann aber guten sanitären Anlagen und kostenfreier Waschmaschine, was von der Bordfrau sofort ausgenutzt wurde.
Der Strand befindet sich, wie im gegenüber liegenden Nyborg, auf der anderen Inselseite. Also auf zur Inselwanderung. Ein herrlicher Strand mit Brücke erfreut das Schwimmerherz.
Kurs zurück
Ab Reersö richten wir unseren Kurs wieder nach Süden und unterqueren erneut die Große Belt Brücke. Kurz vor der Durchfahrt funkt uns Great Belt Traffic an! „Great Belt Traffic call the sailing boat Pangea“! Wir sollen auf keinen Fall die große Durchfahrt nehmen, sondern nebendran durchfahren. Das habe ich dem Zuständigen auch bestätigt und erklärt, dass wir halblinks nach Korsör abbiegen wollen. „Ah, you want to go to Korsör! Please have a good afternoon, Sir and a good watch! So wurden wir in den südlichen Teil des Gewässers geleitet. Korsör sind wir ebenfalls noch nie angelaufen und waren auch hier überrascht, ob der schönen Marina und der hafeneigenen Mini-beach, mit Badebrücke, die sofort getestet wurde. Herrlich!
Korsör ist Marinestützpunkt und unübersehbar mit großen Kriegsschiffen besetzt. Die alte Stadt hat ihre Blütezeit leider hinter sich. Früher war sie die Fährhafenstadt des östlichen Beltufers. Nach der Brücke ist Korsör wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen. Wahrscheinlich gibt es durch die Marine-Soldaten etwas in der Stadt zu tun, ansonsten herrscht eher Tristesse. Die Altstadt ist fast ausgestorben, überall stehen Ladenlokale leer. Ein großes Einkaufszentrum bildet die Versorgung der Bürger und Gäste. Das war es dann. Trotzdem kann man in Korsör immer noch die Pulsivität spüren, als in der Stadt noch mehr los war.
Auf der äußeren Hafenmauer haben sie Bänke platziert, die einen spektakulären Blick auf die Große Belt Brücke bieten. Hier haben wir einen wunderbaren Sonnenuntergang genießen dürfen!
Mit einem strammen Nordwest segelten wir unter Genua weiter nach Süden und machten auf Agersö Halt. Diese Insel gefällt uns auch sehr gut und bietet eine gute und nicht so volle Alternative zum etwas südlicheren Omö. Auch hier genossen wir herrliche Spaziergänge über die Insel.
Die Windvorhersage versprach plötzlich einen Ostwind, den wir auf dem Kurs Richtung Guldborgsund nicht brauchen konnten. Also Leinen los und Kurs Südost. Als wir gegenüber, die südwestliche Ecke Fünens gerundet hatten, drehte der Wind bereits auf Ost, mit südöstlichen Einschlägen…also weiter unter zweifach gereffter Genua und Maschine. Wir konnten gerade so den Kurs nach Femö halten. Die Abdrift tat das ihrige, sodass wir nach einer gefühlt zu langen Zeit fast gegen an die Insel Vejrö vor dem Bug hatten. Da meiner Frau mittlerweile die Seekrankheit zu schaffen machte, drehte ich langsam zur Insel und in den Hafen. Es überrascht schon ein wenig, wenn der Hafen in der Hochsaison nur zur Hälfte belegt ist. Der Grund hierfür könnten die Liegeplatzgebühren sein: 500 Kronen, also rund 67 Euro. Das ist für nordeuropäische Verhältnisse ein wahrer Schlag ins Kontor. Egal, die Stimmung ging nach dem Anlegen in die Höhe und die (eingekauften) Serviceangebote, die kostenfreien und wirklich guten Fahrräder sowie Sanitäranlagen wie in einem Hotel wiegen das (fast) wieder auf! Dazu einen Strand direkt vor dem Hafenbecken toppen das Angebot nochmals.
Am Folgetag haben wir den Guldborgsund erreicht und wollten direkt im Hafenimbiss „Lagunen“ Fisch essen: Montag Ruhetag! Das darf doch nicht wahr sein! Egal. Planänderung und erstmal im nahen gelegenen Supermarkt shoppen. Das beruhigt! Nach einem ausgiebigen selbst gekochten Essen und einem Bad am gegenüber liegenden Strand, vor der Brücke war die Welt wieder in Ordnung!
Eine kleine Wetterstörung sollte uns auch im Sund erreichen. Mit reichlich Luftfeuchtigkeit und mäßiger Sicht durchfuhren wir den Sund und kamen vor die Brücke in Nyköbing, als selbige fünf Minuten später öffnete! Läuft! Nach der Brückendurchfahrt baute sich im Südwesten eine mächtige Front auf, die ich lieber am Steg verbringen wollte. Also beim Nyköbing Segelclub links ran gefahren und außen an den Wellenschutz provisorisch fest und Mittag gemacht. Auch nach dem Mittagessen wollte sich das Wetter nicht beruhigen, sodass wir entschieden haben, hier zu bleiben. Dazu verholten wir uns an den Kopf der Brücke, um genügend tiefes Wasser zu haben.
Am Nachmittag erkundeten wir Nyköbing zu Fuß und ich musste wieder einmal feststellen, dass ich diese Stadt bisher zu kurz erlebt habe! Die schöne und vor allem große Altstadt hat mich wirklich überrascht! Leider nieselte es fast durchgehend, und trotzdem konnten wir unsere Erledigungen durchführen.
Zurück im Segelclub möchte ich noch von zwei Highlights berichten: Einmal ist der Übernachtungspreis von gerade einmal 140 Kronen mittlerweile ziemlich günstig und zum anderen sind die sanitären Anlagen von wirklich guter Qualität! Wer also auf dem Weg nach Süden hier vorbeifährt, ruhig einen Stopp einplanen!
Am nächsten Tag führte unser Weg weiter durch den kurvenreichen südlichen Teil des Guldborgsundes, der wesentlich interessanter ist, als der nördliche.
Um die Rückfahrt kürzer zu halten, haben wir uns anstatt nach Nysted ins weniger gemütliche Gedser gemacht. Dort erlebten wir noch Hafenkino mit einem holländischen Dreimaster, der -ohne Bugstrahlruder- (!) rückwärts an den Außensteg anlegen wollte. Das Manöver dauerte mindestens eine halbe Stunde und verstopfte die Einfahrt zum Hafen. Am Ende warteten mindestens sechs Yachten, um in den Hafen zu fahren. Ein abwechslungsreiches Spektakel! Zum Schluss schaffte es der Skipper des Großseglers und konnte das Monster in dem kleinen Hafen positionieren, wie er es für richtig hielt. Chapeau!
Mit gemischten Gefühlen legten wir am nächsten Morgen ab, da der Maschinen-Ausfall vor zwei Jahren immer noch ein wenig mitschwingt… es lief alles, wie geplant. Bei kaum Wind aus Nordost sind wir unter Maschine bis nach Kühlungsborn gefahren. Dort ist es wie wir es oft erlebt haben: Viele freie Plätze, sommerlich heiß und leise Musik von den Touristenterrassen der dortigen Lokale. Eine wirklich entspannte Stimmung!
Mit ziemlich dichtem Nebel haben wir unsere Fahrt nach Süden fortgesetzt. Eine erstaunlich hohe Luftfeuchtigkeit mit „dicker“ warmer Luft begleitete unsere unheimliche Fahrt bis vor die Insel Poel. Vor dem Hafen ist der Nebel aufgerissen und die warme Sommersonne erfreute unsere Herzen. Wunderbar! Dazu noch einen spektakulären Sonnenuntergang am Abend und alles ist einfach nur noch schön!
Nach 19 Tagen und rund 350 Seemeilen sind wir wieder in die Lübecker Bucht gesegelt. Zum Schluss schenkten uns die Götter noch einen frischen Nordwind mit an die 18 Knoten, mit dem wir unter Schmetterlingssegeln bis zur Nodermole segelten. WAS für ein schöner Abschluss unseres diesjährigen Sommertörns!
Bis auf einen zerschlissenen Reißverschluss des Lazy-Jack-Systems und einer kurzen Motor-Unterbrechung sind Crew und Schiff heil wieder am Heimatplatz angekommen.
16 angelaufene Häfen
5 Hafentage
5 Tage mit etwas Regen
14 Sonnentage
































